Aktion Stolpersteine putzen, die Zweite

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Weitere zwei Gruppen, diesmal mit Kindern und Jugendliche aus der 3. und 4. Klasse der Kreuzschule sowie aus der Klasse 5/6 der Jakob-Muth-Schule, haben viele Stolpersteine im Regensburger Westen und in der Innenstadt geputzt. Damit waren es insgesamt rund 60 Schülerinnen und Schüler aus Einrichtungen der ejsa Regensburg, die sich für ein Gedenken an die Opfer der Nationalsozialisten eingesetzt und das Andenken an sie bewahrt haben.

Bei schönstem Wetter zogen die Schülerinnen und Schüler los, um mit speziellen Reinigungsmitteln die Stolpersteine zu reinigen und sie wieder zum Glänzen zu bringen. Außerdem legten sie Rosen nieder und gedachten der Opfer. Zuvor hatten sie einen Workshop besucht, der sie auf die Stolpersteinführung vorbereitete. Sie bekamen Informationen zu den einzelnen Opfergruppen, die von den Nationalsozialisten verfolgt und getötet wurden, und hatten die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Außerdem schauten sie im Rahmen des Workshops ein Video an, in dem exemplarisch über den jüdischen Künstler Felix Nussbaum aus Osnabrück berichtet wurde, der von den Nationalsozialisten in Auschwitz ermordet worden war.

Vorbereitender Workshop an der Kreuzschule
„Ich habe schon einen Stolperstein gesehen, da beim Jakobstor!“ und „Ich habe sogar schon mal einen Stolperstein geputzt zusammen mit meinem Vater!“ berichteten zwei Schüler der 4. Klasse der Kreuzschule ganz aufgeregt beim vorbereitenden Workshop. Die Kinder stellten viele Fragen, als sie ein erstes Foto von dem Stolperstein von dem Widerstandskämpfer Georg Zaubzer gezeigt bekamen: „Was bedeutet ‚im Widerstand‘?“ und „Was ist ein Konzentrationslager?“ wollten sie wissen. Die große Zahl der jüdischen Opfer, nämlich über 6 Millionen, konnten sie sich nur schwer vorstellen. Doch sie wussten bereits, dass die jüdische Religion älter ist als das Christentum und der Islam und dass es viele Ähnlichkeiten zwischen den drei Religionen gibt. Auch wenn den Kindern der 3. und 4. Klasse nicht gleich einfiel, wie das jüdische Gotteshaus heißt, waren sie doch umso mehr daran interessiert, wie es zur Zerstörung der Regensburger Synagoge 1938 kam und ob es heute wieder eine Synagoge vor Ort gibt. Besonders erschrocken reagierten sie darauf, dass im Rahmen der Aktion T4 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen ermordet wurden, weil ihr Leben von den Nationalsozialisten als „unwertes Leben“ eingestuft worden war. „Es gibt doch viele Menschen, die mit Behinderung ein ganz tolles Leben führen und viel machen können!“ so eine Schülerin entsetzt.

Vorbereitender Workshop an der Jakob-Muth-Schule
Die Jugendlichen der Klasse 5/6 der Jakob-Muth-Schule interessierten sich ebenfalls sehr für die geschichtlichen Hintergründe zur Zeit des Nationalsozialismus. „Was haben die Juden Hitler getan, dass er sie alle töten wollte?“ und „Welche Religion konnte man denn damals überhaupt haben, ohne dafür verfolgt zu werden?“ waren Fragen, die die Jugendlichen in den Workshop einbrachten. Einige wussten bereits, was ein Konzentrationslager ist und wie die Bedingungen dort waren. „Meine große Schwester hat bereits ein Konzentrationslager besucht“, berichtete ein Junge. Wir sprachen auch über den Film „Der Junge im gestreiften Pyjama“, den manche der Schülerinnen und Schüler kannten. Sie wussten außerdem, was eine Synagoge ist und dass Männer dort eine Kippa tragen müssen. Die Aufregung stieg langsam, denn im Anschluss an die Stolpersteinführung durften sie auch die Synagoge besichtigen. Schließlich interessierten sich die jungen Menschen auch für die größeren historischen Zusammenhänge, wie etwa die Zeit vor und nach dem Nationalsozialismus, sodass das Gespräch ebenso über den ersten Weltkrieg, die Entstehung des Grundgesetzes und der Bundesrepublik, die Entnazifizierung und die Besatzungszonen nach dem zweiten Weltkrieg ging. Außerdem diskutierte die Gruppe über die soeben verstorbene Zeitzeugin Margot Friedländer, die den Holocaust überlebt hatte.

Die Putzaktion in der Innenstadt und im Regensburger Inneren Westen
Als es dann soweit war und die Kinder und Jugendlichen die Stolpersteine putzen durften, waren sie mit viel Interesse und Eifer bei der Sache. Die einzelnen Lebenslinien wurden ihnen von den Mitgliedern der Stolpersteininitiative Regensburg, Susanne Feichtmayer-Arnold und Luise Gutmann, erklärt. So etwa das Schicksal von Michael Trinkl, der im Zuge der Aktion T4 ermordet wurde, nachdem er in die Heilanstalt Karthaus und anschließend nach Hartheim bei Linz gebracht worden war. Sein Stolperstein befindet sich in der Tändlergasse. Viele weitere Stolpersteine in der Innenstadt, wie etwa von Max Massinger oder der Familie Sigall wurden von den Schülerinnen und Schülern der Klasse 5/6 geputzt.

Die Kinder der 3. und 4. Klasse der Kreuzschule putzten die Stolpersteine im näheren Umkreis ihrer Schule, also im Inneren Westen Regensburgs. Sie begannen mit dem Stolperstein für den SPD-Landtagsabgeordneten Alfons Bayerer, der nach mehrfacher Inhaftierung an den Haftfolgen starb. Als sie die Stolpersteine der Familie Heymann in der Dechbettenerstraße putzten, kamen Passanten vorbei, die sich sehr für die Putzaktion der Kinder interessierten. Sie waren erfreut, dass die Kinder sich um die Steine kümmerten. Nahe des Jakobstors hat ein jüdischer Mitbürger das Engagement der Kinder gelobt und sich ebenso über die geputzten Steine gefreut. Den letzten Stein, den die Kinder der Kreuzschule putzten, war der für Alice Heiss – eine geborene Jüdin, die zum Katholizismus konvertierte, dem auch ihr Mann angehörte. Aufgrund ihrer jüdischen Abstammung wurde sie schließlich in Auschwitz ermordet.

Wie wichtig die Religion im Hinblick auf die Verfolgung durch die Nationalsozialisten war, wurde allen schnell bewusst. Die Kinder der Kreuzschule haben daher vor, noch die Regensburger Synagoge zu besuchen, die Jugendlichen der Jakob-Muth-Schule haben dies bereits im Rahmen der Stolpersteinführung durch die Innenstadt getan.

 

 

 

 

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Das Bild zeigt junge Menschen, die in Bänken sitzen.
Das Bild zeigt junge Menschen bei der Reinigung von Stoplersteinen
Das Bild zeigt Stolpersteine, am Rand sind Hände zu sehen, die einen Putzschwamm halten.